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Zusammenfassung STRAIN

Die aktuelle SARS-CoV-2-Pandemie führt deutlich vor Augen, wie wichtig die Verfügbarkeit und Leistungsfähigkeit der Gesundheitsfachpersonen für eine gut funktionierende Gesundheitsversorgung ist. Doch bereits vor SARS-CoV-2 hatte das Gesundheitswesen mit Fachkräftemangel, frühzeitigen Berufsaustritten und optimierungsbedürftigen Rahmenbedingungen zu kämpfen.

Das nationale Projekt «Work-related Stress Among Health Professionals in Switzerland», kurz STRAIN, setzt genau dort an.  Das Projekt will Stressquellen, Stressreaktion und daraus entstehende Langzeitfolgen im Arbeitsalltag von Gesundheitsfachpersonen in der Schweiz erfassen und mittels Intervention langfristig reduzieren. Die Studie wird seit dem Jahr 2017 bis voraussichtlich Ende Mai 2021 in allen Sprachregionen der Schweiz durchgeführt. Das 15-köpfige STRAIN-Projektteam setzt sich interprofessionell aus Mitarbeitenden dreier Hochschulen zusammen; der Berner Fachhochschule BFH, der HES-SO Fachhochschule Westschweiz und der Fachhochschule Südschweiz SUPSI. Die STRAIN-Studie ist aktuell die grösste Schweizer Interventionsstudie in den Gesundheitsberufen, umfasst drei Messzeitpunkte und über 160 teilnehmende Akutspitäler, Rehabilitationskliniken, Psychiatrien, Alters- und Pflegeheime sowie Spitex-Organisationen. Eingeschlossen wurden dabei alle Pflege- und Betreuungsberufe, Ärztinnen und Ärzte, medizinisch-technische sowie medizinisch-therapeutische Berufe. Die SARS-CoV-2-Pandemie und die damit einhergehende Belastung im Gesundheitswesen hat die Umsetzung der Interventionsphase sowie die letzte Datenerhebung im Jahr 2020 beeinträchtigt. Obwohl sich nicht alle teilnehmenden Organisationen an der dritten Messung beteiligen konnten, ergab sich aus der STRAIN-Studie ein Datensatz mit insgesamt über 19 000 beteiligten Gesundheitsfachpersonen. Erste Resultate aus dem STRAIN-Projekt zeigen, dass beispielsweise 28 % der Hebammen im Arbeitsalltag ihre gesetzliche festgelegten Pausenzeiten selten bis nie einhalten können. Dies ist auch bei 21 % der befragten Ärztinnen und Ärzten der Fall. 13 % der Pflegenden leiden zudem an einer mässigen bis starken Beeinträchtigung des Alltags aufgrund von Wirbelsäulenbeschwerden. Bei den Ärztinnen und Ärzten sind 24 % von einem starken bis sehr starken Konflikt zwischen Arbeits- und Privatleben betroffen. Zudem denken 15 % der Pflegenden mehrmals im Monat oder sogar täglich daran, den Beruf frühzeitig zu verlassen.

Um ein optimales und gesundes Arbeitsumfeld für Gesundheitsfachpersonen zu schaffen, spielen Führungspersonen eine zentrale Rolle, da ihr Engagement für eine erfolgreiche Umsetzung von effektiven Massnahmen zur Prävention und Reduktion von Stress sowie für die Optimierung der Rahmenbedingungen wichtig ist. Basierend auf den Resultaten der ersten Messung, Resultaten einer systematischen Literaturrecherche (1 400 Studien/Guidelines) sowie 24 Fokusgruppeninterviews mit Gesundheitsfachpersonen wurde eine Schulungsintervention für Führungspersonen im Gesundheitswesen entwickelt. Für die Intervention wurden folgende sieben Handlungsfelder identifiziert und für das Programm ausgearbeitet:

  • Stressreduktion bei Führungspersonen
  • Vereinbarkeit von Arbeits- und Privatleben fördern
  • Anforderungen bei der Arbeit in Einklang mit Fähigkeiten und Ressourcen bringen
  • Führungsverständnis und Führungsstrukturen optimieren
  • Verbundenheit zum Arbeitsplatz stärken (Entlöhnung, Wertschätzung,
  • Entwicklungsmöglichkeiten)
  • Rollenklarheit und kompetenzgerechter Einsatz schaffen
  • Kommunikation und Zusammenarbeit fördern

Zielgruppe der STRAIN-Intervention waren alle Führungspersonen der Interventionsgruppe aus den Pflege- und Betreuungsberufen, medizinisch-technisch-therapeutischen Berufen, der Hebammen und des ärztlichen Dienstes. Zudem fand die Schulung separat für Führungspersonen aus der oberen/mittleren Führungsebene und solche der unteren Führungsebene statt. Das 2-tägige Schulungsprogramm sowie das anschliessende Coaching fanden organisationsübergreifend sowie in multiprofessionell zusammengesetzten Gruppen von Führungspersonen statt. Das standardisierte Schulungsprogramm wurde in der Deutschschweiz durch die BFH, in der Romandie durch die HES-SO und im Tessin durch die SUPSI durchgeführt.

Die STRAIN Intervention wurde nach einer ersten Pilotdurchführung von Juni bis Dezember 2019 durchgeführt. Eine erste Evaluation des Schulungsprogramms mit insgesamt 216 teilnehmenden Führungspersonen zeigt, dass vor allem der Austausch in den Gruppenarbeiten mit Führungspersonen aus anderen Gesundheitsorganisationen und Berufsgruppen als gewinnbringend erachtet wurde. Zudem stachen die vermittelten Inhalte sowie die multiprofessionelle Gruppenzusammensetzung in den Bewertungen positiv heraus. Da die SARS-COV-2 Pandemie jedoch die Interventionsphase wie auch die letzte Datenerhebung (nach der Intervention) stark getroffen hat, konnte bei ca. einem Drittel der Organisationen trotz Teilnahme am STRAIN Interventionsprogramm keine dritte Messung durchgeführt werden.

Eine statistische Auswertung nach der dritten Messung zeigte kein signifikanter Unterschied zwischen der STRAIN Interventions- und der Kontrollgruppe. Bei den organisationsspezifischen Analysen (Werte innerhalb derselben Organisation vor und nach der Intervention) sieht dies jedoch anders aus. Bei Organisationen der Interventionsgruppe zeigten sich ausschliesslich statistisch positive Resultate bzgl. Stressoren und Langzeitkonsequenzen, wenn mehr als 70% der Führungspersonen am STRAIN Interventionsprogramm teilgenommen haben. Bei Organisationen der Interventionsgruppe mit weniger als 70% teilnehmenden Führungspersonen, zeigten sich gemischte Resultate (positive und/oder negative oder keine Veränderungen vor/nach der Intervention). Die Teilnahmequote der Führungspersonen scheint demnach ein entscheidender Faktor für den Erfolg und die Wirksamkeit der STRAIN Intervention innerhalb der Organisation.

 

Aus den Resultaten des STRAIN Projekts sowie dem entwickelten Schulungsprogramm wurden evidenzbasierte Empfehlungen für Führungspersonen im Gesundheitswesen entwickelt. Das Dokument ist für alle Interessierte frei zugänglich und kann auf der Website www.gesundheit.bfh.ch/strain in Deutsch, Französisch und Italienisch heruntergeladen werden.

Zudem geht im Juni 2021 abgeschlossene STRAIN Projekt mit STRAIN 2.0 in die zweite Runde. Und wird nun für eine Teilnahme aller interessierten Organisationen aus dem Schweizer Gesundheitswesen geöffnet.

Die gegenwärtige SARS-CoV-2 Pandemie birgt aktuell die Gefahr, dass sich die Rahmenbedingungen im Gesundheitswesen verschlechtern, bspw. die Disbalance zwischen Arbeits- und Privatleben für Gesundheitsfachpersonen zunimmt und die Zahl der frühzeitigen Berufsausstiege erhöht wird. Umso wichtiger ist es jetzt, Optimierungsmöglichkeiten im Schweizer Gesundheitswesen aufzudecken und insgesamt effektive Massnahmen für bessere Arbeitsbedingungen stärker voranzutreiben.